Da begeistere ich mich für eine bestimmte Art der Fotografie nur um festzustellen, dass ich anscheinend, wie viele, dem aktuellem Hype Streetfotografie verfallen bin, der von den alten Hasen des Genres nicht immer positiv gesehen wird. Im Raume steht die Kritik an der Qualität der Massen und für mich die Frage, was eigentlich Streetfotografie ist und wofür sie steht.
Mein unbefriedigendes Fazit nach diversen Podcasts, Blogbeiträgen und Literatur ist: Es gibt zwar viele Übereinstimmungen, aber mindestens genauso viele unterschiedliche Ansichten und nichts Genaues weiß man nicht.
Weitestgehende Einigkeit scheint es zu folgenden Punkten zu geben:
- Die fotografierte Situation ist nicht gestellt.
- Der Augenblick der Aufnahme geschieht zufällig und wird genau so nicht wieder erscheinen.
- Das fotografierte Szenario spielt sich an einem öffentlich zugänglichem Ort ab.
- Wer Streetfotografie betreibt, interpretiert das geltendes Recht am Bild zwangsläufig sehr großzügig. Es sollte verantwortungsbewusst entschieden werden, was veröffentlicht wird. Bilder von Obdachlosen z.B. sind weitestgehend verpönt.
Oft diskutiert sind zum Beispiel Fragestellungen wie diese:
- Muss ein Streetfoto immer Menschen zeigen?
- Ist Streetfotografie in schwarz/weiß oder Farbe zu fotografieren?
- Dürfen die zu fotografierenden Personen vor der Aufnahme wissen, dass sie fotografiert werden oder zersört das den wertvollen authentischen Augenblick?
- Wann beginnt eine Aufnahme so vorbereitet oder gestellt zu sein, dass sie icht mehr „Street“ ist?
- Gelten gestalterische Regeln für das Genre Streetfotografie und sollten diese für ein qualitativ gutes Foto befolgt werden?
- Findet Streetfotografie zwangsläufig in einer Stadt statt?
Zwei für mich sehr zutreffende Umschreibungen stammen von Thomas Leuthard aus seinem lesenswerten E-Book „Seelenraub“(ich schreibe bewusst „Umschreibungen“, da er sich nicht auf eine bestimmte Definition festlegen möchte):
Street Fotografie ist das nicht inszenierte Fotografieren einer alltäglichen Situation im öffentlichen Raum.
Street Fotografie ist das nicht inszenierte Fotografieren von Menschen.
Eine zu enge Definition finde ich folgenden Ansatz von Till Schramm, die ich hier exemplarisch aufführe, da die „Dokumentation“ immer wieder als Erklärungsansatz von Streetfotografie angeführt wird:
Unter Street Photography versteht man die ungestellte Dokumentation des Lebens von Personen auf der Straße. Der urbane Raum dient als Bühne, auf denen die Menschen ihrem Alltag nach gehen.
Die Bedeutung der Dokumentation menschlichen Handelns im urbanen Raum will ich nicht in Abrede stellen. Für mich spielt allerdings der künstlerische Aspekt eine viel größere Rolle. Der Dokumentationscharakter wird meiner Meinung nach zum gestalterischen Element der Streetfotografie und ordnet sich damit dem künstlerischen Anspruch unter.
Zur Zeit leite ich meine folgende Definition ab und bin gespannt, ob diese in ein oder zwei Jahren noch Gültigkeit für mich hat:
- Die fotografierte Szene ist nicht gestellt, sondern authentisch in dem Augenblick passiert.
- Das Thema „Mensch“ steht im Mittelpunkt.
- Menschen müssen nicht zwingend direkt zu sehen sein. Ein direktes Abbild (Schatten, Silhouette) setze ich allerdings voraus.
- Die Personen wissen zum Zeitpunkt der Aufnahme nicht, dass sie fotografiert werden.
- Das Foto entsteht in einem öffentlich zugänglichen urbanen Raum.
- Ein Streetfotograf sollte die geltenden gestalterischen Regeln kennen – und bewusst nicht beachten und brechen dürfen.
- Streetfotografie ist Kunst.
Hier eine Auswahl meiner ersten Streetfotografie-Gehversuche. Weitere von mir gibt es auf flickr zu sehen.